Im Zeichen der Ellipse

18.05.1990

Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt

Ein Meisterstück des Mozarttheaters in Glasgow, Europas Kulturhauptstadt `90: Ein deutsches Team macht „Cosi fan tutte“

Als nach der minutiös durchgearbeiteten, kammermusikalisch angriffigen Ouvertüre die Bühne sich öffnet, wirkt die Harmonie erst mal vollkommen: Aus einem schwarzen Zwischenvorhang ist eine große Ellipse herausgeschnitten, schräg nach rechts unten geneigt, die vor rostrotem Hintergrund nur die Oberkörper der Sänger sehen läßt. Hier spinnt das Spiel sich an, das Mozarts „Cosi fan tutte“, vor 200 Jahren in Wien uraufgeführt, lange Zeit für unstimmig und moralisch so fragwürdig gelten ließ. ...
Die Scottish Opera hat ihre Festivalproduktion einem deutschen Team anvertraut. Und es wiederholt sich ein Wunder, das sich, mit einer Ausnahme, vor gut drei Jahren schon einmal an der Frankfurter Oper ereignet hat. Peter Hirsch, Kapellmeister in der legendären Ära Michael Gielen, war der Dirigent, Jürgen Gosch, damals Schauspielregisseur am Hamburger Thalia Theater, gab sein Operndebüt, jetzt ist Nina Ritter, aus Frankfurter Zeiten sprech- und musiktheatererfahren, als „Designer“ Dritte im Bunde statt Gero Troike, der Mozarts „Le Nozze di Figaro“ in schwarzweißer Klarheit ausgestattet hatte.
Es muß an Mozart liegen oder an der glücklichen Zusammenarbeit im Team, daß Glasgows „Cosi fan tutte“ wieder zu einem Meisterstück geriet. ... Was jenen „Figaro“ so schlüssig gemacht hatte, ist nun von neuem zu hören und zu sehen: das innige Zusammenwirken von musikalischer und szenischer Aktion, im Einklang mit Mozart auf die Offenheit der musikalisch-dramatischen Strukturen konzentriert, spielerisch, doch nie von derbem Witz.
Peter Hirsch animiert das nicht allzu stark besetzte „Scottish Opera Orchestra“ zu lebendigem, nie glatt sich einschmeichelndem Musizieren. Er modelliert geradezu einzelne Instrumentalfiguren heraus, setzt Klanggruppen voneinander ab, hält einen vorwärtstreibenden Puls durch, der einzelne Schwächen vergessen läßt. Mit langem Atem baut er die Ensembles auf, führt die Stimmen etwa im Finale des zweiten Akts zu vibrierenden Höhepunkten. Dazwischen markieren Pausen ein gespanntes Innehalten. Der Dirigent selbst begleitet die Rezitative am Hammerflügel, setzt mit knappen Akkorden Akzente, holt mit melodischen Linien, dramaturgisch genau kalkuliert und an markanten Stellen durch Cello, Kontrabaß oder Fagott noch verstärkt, zu schwingenden Überleitungen aus. ...

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